Reinhart Mlineritsch ist der Schönheit der Natur auf der Spur. Und dem Hang des Menschen zur Destruktion. Das Faszinierende an den minutiös komponierten, technisch perfekten Schwarzweiß-Fotografien von Reinhart Mlineritsch ist, dass sie sich dem Betrachter in ihrem statisch angelegten So-Sein zunächst unaufdringlich zu entziehen scheinen. Was sollte schon hinter dieser Perfektion zu entdecken sein? In weiterer Folge provozieren sie aber gerade dadurch Aufmerksamkeit. Stacheln an zum genauen beobachten und dieses nähere Betrachten stachelt wiederum den Wunsch an, die atmosphärischen Bilder in ihrer sich letztlich jeder eindimensionalen Festlegung entziehenden Qualität zu entschlüsseln.
Unter dem mehrdeutigen Gesamttitel „Wie ein Fremder“ zeigt der 1950 in Wien geborene Salzburger Fotograf Arbeiten der Jahre von 1992 bis 1996. Es sind Bildfolgen, die sich sowohl der Natur in ihrem gewachsenen Sein widmen, sich aber auch der (meist leider zerstörerischen) Eingriffe in diese annehmen. Die Serientitel – etwa „Pflanzen“, „Bodenschätze“, „Plastik“ – deuten die Bandbreite der Motive, die Mlineritsch geduldig erforscht, an.
Reinhart Mlineritschs Bilder sind, wie gesagt, die Feier von Schöpfungssensationen. Und sie sind kritische Bestandsaufnahme. Konkret auch einer Wohn- und Industriearchitektur (Serie „Architektur“), die dem Menschen als Wohn- oder Arbeitsstätten eigentlich dienen sollte, ihn aber sich selbst ebenso wie jeder Gemeinschaft entfremden kann. So gesehen, ist es folgerichtig, dass der Mensch in den Fotografien kaum, höchstens als isolierte Einzelfigur anwesend ist.
Die Überschrift von Bildern aus dem Mittelwesten der USA ist ironisches Programm: „Last Chance“. Das Rasthaus zur letzten Chance – wie viele mag es geben davon im ehemaligen Wilden Westen? – , steht als Warnung im Raum, vermittelt aber auch Hoffnung.
Reinhart Mlineritsch. Fotogalerie im Retzhof bei Leibnitz. Bis 24. Jänner. Das Buch zur Ausstellung „Wie ein Fremder“ ist in der Edition Fotohof erschienen. (Gisela Bartens, Kleine Zeitung, 9.1.2001).